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    Hemmung der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist durch Vergleichsverhandlungen?

    Verlangt eine arbeitsvertragliche Regelung über Ausschlussfristen, dass ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis zur Vermeidung seines Verfalls innerhalb einer bestimmten Frist gerichtlich geltend gemacht werden muss, ist die Ausschlussfrist in entsprechender Anwendung des § 203 S. 1 BGB gehemmt, solange die Parteien vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen führen. Dagegen findet die Ablaufhemmung des § 203 S. 2 BGB, wonach die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eintritt, auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen keine entsprechend Anwendung.

    Der Arbeitsvertrag, über den das Bundesarbeitsgericht zu befinden hatte, enthielt die Regelung, dass „Ansprüche beider Parteien aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich gegenüber der Gegenseite geltend gemacht werden. Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder äußert sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen ab Zugang der Geltendmachung, so ist der Anspruch innerhalb von weiteren drei Monaten ab Zugang der Ablehnung bzw. Ablauf der Zweiwochenfrist bei Gericht anhängig zu machen“. Mit Schreiben vom 14.09.2015 forderte der klagende Arbeitnehmer vom beklagten Arbeitgeber die Abgeltung von Urlaubstagen sowie die Vergütung von Überstunden. Der Arbeitgeber lehnte mit Schreiben vom 28.09.2015 die Ansprüche ab, wies dabei allerdings darauf hin, dass er eine einvernehmliche Lösung anstrebe. In der Folgezeit führten die Parteien über die von ihnen beauftragten Rechtsanwälte Vergleichsverhandlungen, die zumindest bis zum 25.11.2015 andauerten, jedoch erfolglos blieben. Mit der am 21.01.2016 anhängig gemachten Klage hat der Arbeitnehmer seine Ansprüche weiter verfolgt. Der Arbeitgeber berief sich auf die Ausschlussfrist.

    Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20.06.2018, Az.: 5 AZR 262/17) hat in Fortsetzung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg den Einwand des Arbeitnehmers, dass die Berufung auf die Ausschlussfrist rechtsmissbräuchlich sei, verneint. An einen solchen Einwand seien strenge Anforderungen zu stellen. Voraussetzung sei, dass die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit durch ein Verhalten der Gegenpartei veranlasst worden sei oder der Schuldner es pflichtwidrig unterlassen habe, dem Gläubiger die Umstände mitzuteilen, die diesen zur Einhaltung der Ausschlussfrist veranlasst hätten. In dem zu beurteilenden Fall habe der Arbeitgeber den Arbeitnehmer weder von der gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche abgehalten noch objektiv den Eindruck erweckt, der Arbeitnehmer könne wegen der vorgerichtlichen Vergleichsverhandlungen darauf vertrauen, die Ansprüche würden auch ohne gerichtliche Geltendmachung erfüllt werden.

    Das Bundesarbeitsgericht bejahte im Gegensatz zu der Vorinstanz die Einhaltung der zweiten Stufe der Ausschlussfrist mit der am 21.01.2016 anhängig gemachten Klage. Ausschlussfristen und Verjährungsfristen haben zwar eine unterschiedliche Rechtswirkung; im Kern gehe es jedoch darum, dass der Anspruchsinhaber seinen Anspruch gegen den Willen des Anspruchsgegners nur innerhalb bestimmter Fristen verwirklichen kann. Faktisch verkürze eine Ausschlussfrist die Verjährungsfrist, weshalb sie den Anforderungen des § 202 Abs. 1 BGB (Vereinbarungen über die Verjährung) genügen müsse.

    Nimmt eine einzelvertragliche Verfallklausel mit dem Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung zudem auf einen vom Verjährungsrecht zur Hemmung der Verjährung zur Verfügung gestellten Tatbestand Bezug, gebieten die Ähnlichkeit von Funktion und faktischer Wirkung, auf die Ausschlussfrist diejenigen Verjährungsvorschriften entsprechend anzuwenden, deren Zweck dem Wesen der Ausschlussfrist nicht widerspricht. Deshalb sei § 203 Satz 1 BGB auf eine einzelvertragliche Ausschlussfrist, die zur Vermeidung des Verfalls eines Anspruchs seine gerichtliche Geltendmachung verlangt, entsprechend anwendbar mit der Folge, dass ihr Lauf für die Dauer von Vergleichsverhandlungen über den streitigen Anspruch gehemmt ist

    Die Ausschlussfrist sei insofern disponibel, als der Schuldner auf ihre Einhaltung verzichten könne. Das bedeutet auch, dass die Parteien einvernehmlich die von ihnen vereinbarte Ausschlussfrist verlängern können. Daher spricht nichts dagegen, ihnen über eine Hemmung der Ausschlussfrist ausreichend Zeit für vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen einzuräumen, zumal dies zu keiner Benachteiligung des durch die Ausschlussfrist begünstigten Schuldners führe. Dieser hat es in der Hand, ob er sich überhaupt auf vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen einlassen und wie lange er solche führen will.

    Dagegen lehnt das Bundesarbeitsgericht eine entsprechende Anwendung des § 203 Satz 2 BGB auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen ab. Diese Vorschrift bestimmt für die Verjährung, dass diese frühestens drei Monate nach dem Ende einer vorliegenden Verjährungshemmung eintritt. Diese den Gläubiger schützende Ablaufhemmung könne zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist um fast drei Monate führen. Eine Übertragung dieser Regelung auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen widerspräche aber dem Zweck von Ausschlussfristen zur gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs und wäre zudem nicht interessengerecht. Denn der Gläubiger eines streitigen Anspruchs, der einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist unterliegt, muss und kann sich darauf einstellen, dass ihm nach Ende der Hemmung wegen vorgerichtlicher Vergleichsverhandlungen für die Einreichung der Klage nur die Differenz zwischen der Länge der Verfallfrist und der vor Aufnahme der Verhandlungen verstrichenen Zeit zur Verfügung steht.

    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 8/18

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