Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

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    Nicht schon eine falsche Widerspruchsbelehrung löst den Rechtschutzfall aus. Die in § 4 Abs. 3 a ARB 2008 enthaltene Vorerstreckungsklausel ist intransparent. Dies ergibt sich aus dem Urteil des BGH vom 04.07.2018, Az.: IV ZR 200/16.

    Der Versicherungsnehmer unterhielt seit April 2010 eine Rechtsschutzversicherung, der die ARB 2008 zugrunde lagen.

    Hierin hieß es u. a.:

    „§ 4 ARB Voraussetzung für den Versicherungsschutz

    (1) Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt des Rechtsschutzfalles

    (2) in allen anderen Fällen von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder in anderen ein Verstoß gegen einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll

    (3) Es besteht kein Rechtschutz, wenn

    (a) die Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den vor Verstoß nach Abs. 1 c ausgelöst hat;

    …“

    Der Versicherungsnehmer hatte bereits im Juli 2008 mit einer Bank einen Vertrag über verschiedene Darlehen abgeschlossen. Mit Anwaltsschreiben vom 10.12.2014 erbat er von der Beklagten eine Deckungszusage für die außergerichtliche Interessenvertretung mit dem im Zusammenhang mit dem Widerruf seiner bei Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Vertragserklärungen. Der Versicherer lehnte dies mit Schreiben vom 13.01.2015 unter Berufung auf die vorstehend wiedergegebene Vorerstreckungsklausel ab.

    Mit Schreiben vom 20.03.2015 widerrief der Versicherungsnehmer seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Vertragserklärungen und machte geltend, er könne das Widerrufsrecht in Folge einer rechtlich unzureichenden Widerrufsbelehrung nach wie vor ausüben. Die Bank wies den Widerruf als verspätet zurück.

    Das Amtsgericht hat den Versicherer antragsgemäß zur Bestätigung des Deckungsschutzes verurteilt. Auf die Berufung des Versicherers hatte das Landgericht die Klage abgewiesen, da nach oben wiedergegebener Vorerstreckungsklausel Deckungsschutz für Rechtsstreitigkeiten, die in vorvertraglicher Zeit vorprogrammiert worden seien, ausgeschlossen sei. Sie greife ein, wenn der spätere Rechtsstreit durch eine in der Klausel genannte Rechtshandlung bereits die erste Stufe der Gefahrverwirklichung erreicht habe. Eine Willenserklärung oder Rechtshandlung trage den „Keim eines Rechtsstreites“ in sich, wenn sie geeignet sei, einen Verstoß im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 c ARB 2008 auszulösen. Im vorliegenden Fall sah das Berufungsgericht dies bereits durch die Widerrufsbelehrung als gegeben an, da Widerrufe auf den Abschluss von Darlehensverträgen gerichteten Erklärungen zu einer Massenerscheinung geworden seien, nachdem das stark abgesunkene Zinsniveau einen erheblichen wirtschaftlichen Anreiz hierfür geschaffen habe.

    Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die erstinstanzliche Entscheidung wieder hergestellt. Er hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Vorerstreckungsklausel intransparent und daher gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sei.

    Nach dem Transparenzgebot sei der Verwender allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei komme es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich sei. Vielmehr gebiete Treu und Glauben auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lasse, wie dies nach den Umständen gefordert werden könne. Bei Risikoausschlussklauseln gehe das Interesse des Versicherungsnehmers in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt werde, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebiete.

    Insoweit bestünden bereits Zweifel, was unter einer vorvertraglichen Willenserklärung oder Rechtshandlung zu verstehen sei, jedenfalls sei aber nicht klar und durchschaubar, wann eine vor Versicherungsbeginn vorgenommene Willenserklärung oder Rechtshandlung den Verstoß „ausgelöst“ habe.

    Zweck der Vorerstreckungsklausel sei es, Zweckabschlüsse für Versicherungsfälle, die bei Abschluss der Rechtsschutzversicherung schon bekannt seien, auszuschließen. Bisher sei es Rechtsprechung und Literatur nicht gelungen, verlässliche abstrakt-generelle Kriterien für die Auslegung des Begriffs „auslösen“ zu erarbeiten. Einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei es daher bei Abschluss des Versicherungsvertrages unmöglich zu erkennen, in welchem Umgang der Rechtsschutz durch die Vorerstreckungsklausel eingeschränkt werde. Somit liege eine mangelnde Transparenz der Klausel vor.

    Bereits früher hatte der BGH entschieden, dass in Widerrufsfällen der einen Rechtsschutzfall auslösende Verstoß gegen Rechtspflichten erst in der Weigerung der Bank, die Wirksamkeit eines vom Versicherungsnehmer erklärten Widerrufs anzuerkennen, liegt.

    Herbert Krumscheid

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 4/19

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