Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

    Newsletter

    Reform des Deutschen Corporate Governance Kodex

    Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hat im Mai 2019 eine Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex („DCKG“) beschlossen. Dieses für börsennotierte Gesellschaften geltende Regelwerk enthält kein zwingendes Recht, sondern nur Hinweise auf geltendes Recht und Empfehlungen und Anregungen für eine gute Unternehmensführung („Best Practice“). Maßgeblicher Anlass der Überarbeitung war die Änderung der Aktionärsrechterichtlinie und die Umsetzung in deutsches Recht (ARUG II). Der Kodex wurde massiv entschlackt. Die Neufassung soll verständlicher und transparenter sein, gerade auch für internationale Anleger. Die Neufassung wird voraussichtlich erst im Herbst 2019 in Kraft treten, nachdem das Umsetzungsgesetz zur „Zweiten Aktionärsrechterichtlinie“ (ARUG II) verabschiedet sein wird.

    Der DCGK enthält nun drei wesentliche Bestandteile: Grundsätze, Empfehlungen und Anregungen. Die Grundsätze enthalten zentrale rechtliche Vorgaben für eine gute Corporate Governance und sind die Basis für die Empfehlungen und Anregungen. Sie ersetzen die bloße Wiedergabe gesetzlicher Vorschriften, insb. des Aktiengesetzes (AktG). Der DCGK ist so prägnanter gefasst und läuft nicht mehr Gefahr, gesetzliche Vorgaben durch verknappte Wiedergabe zu verfälschen. Die beiden anderen Kategorien waren schon im DCGK 2017 enthalten: Abweichungen von Empfehlungen („soll“-Vorschriften) sind möglich, müssen aber in der Entsprechenserklärung gem. § 161 AktG offengelegt und begründet werden. Von Anregungen („sollte“-Vorschriften) kann ohne Offenlegung und Begründung abgewichen werden. Verstöße gegen die Entsprechenserklärung gem. § 161 AktG können zur Anfechtbarkeit von Hauptversammlungs-Beschlüssen oder zur Haftung von Gesellschaftsorganen führen.

    Drei wesentliche Änderungen stechen bei der Kodexreform heraus:

    Die Regelungen zur Vorstandsvergütung wurden weitgehend neu gefasst. Hintergrund der tiefgreifenden Änderungen ist die „Zweite Aktionärsrechterichtlinie“ und die Umsetzung durch das ARUG II. Der Aufsichtsrat muss nun ein Vergütungssystem für den Vorstand entwickeln und einen jährlichen Vergütungsbericht (§ 162 AktG-E) über das vorangegangene Geschäftsjahr vorlegen. Der Kodex enthält zum Vergütungsbericht keine weitergehenden Empfehlungen oder Anregungen: Die Neufassung verzichtet vielmehr auf die bisher erforderlichen Mustertabellen (DCGK 2017, Ziff. 4.2.5) zur Darstellung der gewährten und zugeflossenen Vergütung für die Vorstandsmitglieder. Zum Vergütungssystem gibt die Kommission aber einige Empfehlungen: Insbesondere soll sich der Aufsichtsrat an dem Konzept der Ziel- und Maximal-Gesamtvergütung für die Vorstandsvergütung orientieren. Er soll ein Ziel für die 100%ige Zielerreichung festlegen und darüber hinaus eine Obergrenze („Cap“) für die Gesamtvergütung vorsehen. Der DCGK gibt darüber hinaus detaillierte Empfehlungen zur konkreten Ausgestaltung des Vergütungssystems. Zusammen mit den Neuerungen des ARUG II kommen auf börsennotierte Unternehmen erhebliche neue Berichtspflichten zu. Gerade für kleinere börsennotierte Unternehmen stellt diese Regelungsdichte eine sehr hohe und kaum zu rechtfertigende Belastung dar.

    Die zweite wesentliche Änderung betrifft die Empfehlungen zur Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern: Die bisherige Negativ-Definition (Ziff. 5.4.2 DCGK 2017) kehrt die Kommission in eine positive Fassung um. Mehr als die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseignerseite (nicht auch der Arbeitnehmervertreter) soll unabhängig von Gesellschaft und Vorstand sein. Der DCGK nennt erstmals Indikatoren dafür, wann Abhängigkeit vorliegt:

    • Bestellung während der zweijährigen „Cooling-off-Periode“ nach dem Ausscheiden aus dem Vorstandsamt
    • Mehr als 12-jährige Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat
    • Aufsichtsrats-Kandidat ist naher Angehöriger eines Vorstandsmitglieds
    • Wesentliche geschäftliche Beziehungen:

    Aufsichtsrats-Kandidat hat aktuell oder in dem Jahr bis zu seiner Ernennung direkt oder als Gesellschafter oder in verantwortlicher Funktion eines konzernfremden Unternehmens eine wesentliche geschäftliche Beziehung mit der Gesellschaft oder einem von dieser abhängigen Unternehmen unterhalten oder unterhält diese noch (z.B. als Kunde, Lieferant, Kreditgeber oder Berater)

    Der vierte Indikator zielt auf wesentliche geschäftliche Beziehungen (Empfehlung C7, 2. Spiegelstrich). Er ist sehr weit gefasst und wenig konturiert. Die Handhabung dieser Fallgruppe wird absehbar aufgrund seiner Unschärfe Probleme aufwerfen; seine Grenzen werden sich in der Praxis erst herausbilden müssen. Ist ein Indikator erfüllt, kann der Kandidat dennoch bestellt werden. In der Erklärung zur Unternehmensführung muss aber begründet werden, warum er doch als unabhängig angesehen wird. Die Unabhängigkeit im Verhältnis zu einem (soweit vorhandenen) „kontrollierenden Aktionär“ wird gesondert geregelt. Der Kodex empfiehlt für einen Aufsichtsrat mit mehr als sechs Mitgliedern mindestens zwei vom kontrollierenden Aktionär unabhängige Anteilseignervertreter, in kleineren Aufsichtsräten nur mindestens einen solchen Anteilseignervertreter.

    Die dritte wesentliche Neuerung betrifft den Corporate Governance Bericht (Ziff. 3.10 DCGK 2017): Er wird in seiner jetzigen Form abgeschafft. Das Nebeneinander des CG-Berichts und der Erklärung zur Unternehmensführung (§ 289f HGB) führten in der Praxis zu Verwirrung und Mehraufwand. Die Angaben zur Corporate Governance sollen nun in die Erklärung zur Unternehmensführung gem. § 289f HGB aufgenommen werden, die neben der Erklärung gem. § 161 AktG damit zum zentralen Instrument für die Berichterstattung zur Corporate Governance wird (zumal die Entsprechenserklärung in die Erklärung zur Unternehmensführung aufzunehmen ist, § 289f Abs. 2 Nr. 1 HGB).

    Die neue Kodexfassung wird erst nach der Verabschiedung des ARUG II in Kraft treten, wenn er beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zur Veröffentlichung eingereicht wird. Die Regierungskommission hat sich weitere Änderungen bis zur Verabschiedung des ARUG II offen gehalten. Mit der Einreichung ist nicht vor Herbst 2019 zu rechnen. Wir empfehlen betroffenen Unternehmen, sich schon jetzt mit der neuen Fassung des DCGK zu befassen, um den reibungslosen Übergang an die neuen Regelungen zu gewährleisten.

    Dr. Torben Illner

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/19

    Drucken | Teilen