Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

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    Wann Unwissenheit nicht vor Haftung schützt

    Unwissenheit kann vor Haftung schützen. Das haben wir im Newsletter 6/17 anhand des BGH-Urteils vom 27.06.2017 gezeigt. Ein solcher Haftungsausschluss wegen eines sog. unvermeidbaren Verbotsirrtums gilt aber keinesfalls immer. Er ist eher die Ausnahme. Daher ist über den entschiedenen Fall hinaus die Abgrenzung interessant, die der Bundesgerichtshof zur Haftung bei unerlaubtem Betreiben eines Bankgeschäftes in einem geringfügig älteren Urteil herausgearbeitet hat.

    In dem Urteil setzte sich der BGH erneut mit der Haftung bei Verstoß gegen § 32 Kreditwesengesetz (KWG) auseinander (BGH, Urteil vom 16.05.2017, Az.: VI ZR 266/16 und BGH, Urteil vom 27.06.2017, Az.:VI ZR 424/16). Nach dieser Norm muss eine Erlaubnis der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) haben, wer Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen erbringt. Die Haftung wegen Verstoßes gegen die Erlaubnispflicht setzt Verschulden voraus. Knackpunkt der Entscheidungen vom 16.05.2017 sowie 27.06.2017 war die Frage, ob die verklagten Haftungsschuldner („Täter“) bei ihren Handlungen („Tat“) einem ‑ schuldausschließenden ‑ unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlagen. In der Entscheidung vom 16.05.2017 verneinte der dies der BGH. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

    Die beklagte GmbH und ihr gleichfalls beklagter Geschäftsführer schlossen mit einer Aktiengesellschaft (AG) einen Geschäftsbesorgungsvertrag. Darin verpflichtete sich die AG, Genussscheine auszugeben; um aus dem aufgenommenen Kapital Darlehen zu gewähren. Der GmbH oblag die Verwaltung des Geschäfts. Ein Rechtsanwalt hatte den Geschäftsbesorgungsvertrag geprüft. Die AG besaß keine Erlaubnis nach § 32 KWG. Der Kläger zeichnete Genussscheine und zahlte den Zeichnungsbetrag von 3.000 € inklusive 150 € Agio. In der Folgezeit erhielt er lediglich Ausschüttungen von 200 €. Der Initiator der Kapitalanlage wurde rechtskräftig wegen Betrugs sowie Verstoßes gegen das KWG zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Der Kläger verlangte daraufhin von den Beklagten Schadensersatz aufgrund Beihilfe zum unerlaubten Betreiben eines Bankgeschäfts. Konkret forderte er die Rückzahlung der noch offenen 2.950 € Zug um Zug gegen die Rückgabe der Genussscheine. Die Beklagten beriefen sich darauf, dass sie beim Anwalt Rechtsrat eingeholt hätten; daher unterlägen sie einem schuldausschließenden unvermeidbaren Verbotsirrtum.

    Der Bundesgerichtshof bestätigte die Erlaubnispflicht des Geschäfts nach dem KWG. Er verneinte die Unvermeidlichkeit des Verbotsirrtums. Ein Verbotsirrtum liegt dann vor, wenn der Täter nicht erkennt, dass er rechtswidrig handelt; unvermeidbar ist ein solcher Irrtum nur, wenn dem Täter trotz gründlichen Nachdenkens die Einsicht in das Unrechtmäßige fehlt; im Zweifel muss er eine verlässliche und sachkundige Auskunft einholen. (Nur) bei einem unvermeidbaren Verbotsirrtum scheidet die Haftung aus. An die Unvermeidbarkeit stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen: Es reicht nicht alleine aus, sich von einem auf dem Rechtsgebiet versierten Rechtsanwalt einen Rat geben zu lassen. Man muss zudem auf die Richtigkeit der Beratung vertrauen dürfen. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Auskünfte erkennbar vordergründig und mangelhaft sind und lediglich eine „Feigenblattfunktion“ erfüllen sollen. Das bejahte der Bundesgerichtshof im Urteil.

    Die Reichweite des Urteils ist nicht zu unterschätzen. Ein Mandant, der ein komplexes rechtliches Problem hat, kann sich nicht ohne Weiteres auf jeden rechtlichen Rat eines „Experten“ verlassen. Vor allem allzu häufig anzutreffende Gefälligkeitsgutachten reichen nicht aus, um eine zivilrechtliche Haftung (und nicht zu vergessen: u.U. strafrechtliche Sanktionierung) zu verhindern. Bei komplexen Fragestellungen ist regelmäßig eine detaillierte schriftliche Stellungnahme (Gutachten) notwendig. Diese muss aus sich heraus die Rechtsfrage schlüssig und umfassend beantworten. Erst dann darf der Mandant auf den Rat vertrauen und unterliegt einem unvermeidbaren Verbotsirrtum, der seine Haftung ausschließt. Die schriftliche Fixierung ist geboten, weil bei einem Rechtsverstoß der „Täter“, der Rechtsrat eingeholt hat, bei einer prozessualen Auseinandersetzung darlegen und beweisen muss, dass er einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlag. Dies wird ihm regelmäßig nur durch Vorlage eines solchen Gutachtens gelingen.

    Dr. Thomas Heidel / Dr. Moritz Beneke

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/18

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