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    Wie gefährlich ist die Sanierungsberatung?

    Wer sich bei einer sanierungsbedürftigen GmbH als Sanierungsberater engagiert, setzt sich einem besonderen Haftungsrisiko aus. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte in einer jüngeren Entscheidung über die Inanspruchnahme eines als Geschäftsführer bestellten Sanierungsberaters zu urteilen. Er hatte die Geschäfte der GmbH nach einem von ihm selbst erarbeiteten Insolvenzplan während des Stadiums der Eigenverwaltung der GmbH geführt und war mit seinem Konzept gescheitert. Über das Vermögen der Gesellschaft wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Gläubiger der Gesellschaft haben ihn daraufhin persönlich auf Begleichung von während der Sanierungsbemühungen begründeten Verbindlichkeiten in Anspruch genommen. Das Oberlandesgericht hat im konkret entschiedenen Fall die Klage zwar abgewiesen. Es hat jedoch die Revision zugelassen, so dass die endgültige Bewertung des Haftungsrisikos durch den Bundesgerichtshof noch aussteht.

    Dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 07.09.2017, Az.: I-16 U 33/17 (Revision anhängig beim BGH Az.: IX ZR 238/17), lag im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde.

    Der Beklagte war für eine GmbH & Co. KG als Sanierungsexperte tätig. Nachdem über das Vermögen der Gesellschaft wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, ordnete das Insolvenzgericht auf Antrag der Gesellschaft zugleich die Eigenverwaltung an. Ein Rechtsanwalt wurde zum Sachwalter bestellt. Der beklagte Sanierungsberater ließ sich während des Insolvenzverfahrens zum weiteren Geschäftsführer der Gesellschaft bestellen. Er verfasste mit den übrigen Geschäftsführern einen Insolvenzplan. Dessen Ziel war es, neben der Befriedigung von Gläubigern und dem Erhalt von Arbeitsplätzen eine Fortführung der Insolvenzschuldnerin zu ermöglichen. In Umsetzung dieses Plans orderte die Insolvenzschuldnerin bei der Klägerin Waren und vereinbarte ein Zahlungsziel von mehr als drei Monaten. Das Insolvenzverfahren wurde nach Bestätigung des Insolvenzplans aufgehoben. Die Forderungen der Klägerin wurden in der Folgezeit nicht erfüllt. Einige Monate später wurde erneut ein Insolvenzantrag gestellt und das Verfahren eröffnet. Zu einer erneuten Eigenverwaltung kam es nicht mehr.

    Die Klägerin hat daraufhin den Beklagten in seiner Eigenschaft als Sanierungsgeschäftsführer während der Eigenverwaltung persönlich auf Begleichung der ihr gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten der GmbH in Anspruch genommen. Sie hat dabei die Auffassung vertreten, der Beklagte habe durch die Aufstellung des von ihm maßgeblich mitverantworteten Insolvenzplans persönliches Vertrauen der Klägerin in die erfolgreiche Eigenverwaltung in Anspruch genommen und hafte deshalb gem. § 311 Abs. 3 BGB. Nach dieser Vorschrift kann ein Schuldverhältnis auch zu solchen Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht nach dieser Vorschrift insbesondere dann, wenn der Dritte (hier der Beklagte) in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsabschluss erheblich beeinflusst.

    Die Klägerin machte außerdem Ansprüche aus einer analogen Anwendung der §§ 60 und 61 der Insolvenzordnung (InsO) unter dem Gesichtspunkt der „Amtswalterstellung“ des als Sanierungsgeschäftsführer tätigen Beklagten geltend. Diese Vorschriften begründen eine Haftung für schuldhaftes Handeln und für die Erfüllung von während der Dauer des Insolvenzverfahrens begründeten Masseverbindlichkeiten. Sietrifft unmittelbar nur den Insolvenzverwalter bzw. den während der Dauer der Eigenverwaltung bestellten Sachwalter bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen. Die Klägerin berief sich zur Begründung ihrer Ansprüche gegen den Beklagten als Geschäftsführer auf eine entsprechende in der Literatur vertretene Auffassung, die eine so begründete Haftung zur Vermeidung eines leichtfertigen Handelns des Geschäftsführers einer Gesellschaft in Eigenverwaltung für geboten hält.

    Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in dem entschiedenen Fall eine Haftung des Beklagten unter allen genannten Gesichtspunkten abgelehnt. Alleine in der Aufstellung eines Insolvenzplanes liege keine Inanspruchnahme besonderen Vertrauens in die Erfüllung von Verbindlichkeiten, die zur Umsetzung des Insolvenzplans eingegangen wurden. Auch die Notwendigkeit einer analogen Anwendung der Haftung aus §§ 60 und 61 der InsO auf Geschäftsführer sah das Gericht nicht. In Betracht käme ohnehin nur die mögliche Haftung des Geschäftsführers gem. § 60 InsO wegen Verstoßes gegen die insolvenzrechtlichen Pflichten. Denn nur diese Vorschrift findet gem. § 274 InsO analog auch auf die Tätigkeit des während der Eigenverwaltung bestellten Sachwalter Anwendung, nicht aber die Haftung für Masseverbindlichkeiten gem. § 61 InsO. Was aber schon für den bestellten Sachwalter als Haftungsgrund nicht einschlägig ist, kommt erst recht nicht als Haftungsgrund für den Geschäftsführer der Schuldnerin in Betracht. Auch die analoge Anwendung des § 60 InsO für schuldhaftes Handeln des Sachverwalters finde jedoch auch für den Geschäftsführer keine Anwendung, wenn dieser schon nicht wegen der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens gem. § 311 Abs. 3 BGB haftet. Vielmehr bleibe es dabei, dass im Falle schuldhaften Handelns der Geschäftsführer diese nur gegenüber der Gesellschaft, nicht aber auch gegenüber Dritten im Wege einer Durchgriffshaftung hafteten.

    Die konkrete Inanspruchnahme des betroffenen Sanierungsgeschäftsführers ist also bislang noch glimpflich verlaufen. Entwarnung kann deshalb aber noch nicht gegeben werden, solange der Bundesgerichtshof noch nicht über die vom Oberlandesgericht Düsseldorf zugelassene Revision entschieden hat. Zumindest solange es hinsichtlich des Umfangs des Haftungsrisikos an hinreichender Klarheit fehlt, sollte im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden, wie intensiv sich der Sanierungsberater im Management der Gesellschaft engagiert.Als Geschäftsführer kann sich der Berater zwar auf bestimmte Haftungsprivilegien („business judgement rule“) berufen. Andererseits setzt sich aber der Gefahr einer Durchgriffshaftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft gerade der Geschäftsführer aus. Die förmliche Bestellung als Geschäftsführer wird jedenfalls in vielen Fällen entbehrlich sein, ohne die Effizienz der Sanierungsberatung zu beeinträchtigen.

    Dr. Jürgen Hoffmann

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 3/18

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