Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

    Newsletter

    Zulässigkeit von Verbandsstrafen bei Fehlverhalten von (Fußball-)Fans

    Bengalische Lichter im Fanblock erhitzen seit langem die Gemüter beim Profifußball zuweilen stärker als das Geschehen auf dem Platz. Für viele organisierte „Fangruppen“ sind sie ein unverzichtbarer Bestandteil der Stadionkultur, für die meistenanderen Stadionbesucher schlichtweg gefährlich. Unabhängig von dieser Debatte ist das Abbrennen von „Bengalos“ nicht nur strafbar, sondern auch nach der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB als Dachverband des organisierten Fußballs in Deutschland verboten. Nun hat sich auch der Bundesgerichtshof dazu geäußert.

    Verstöße gegen das Abbrennen von Bengalos und andere Ausschreitungen von Fans können von den Gremien des DFB gegenüber dem Verein, dessen Anhängern der Verstoß zur Last fällt, mit einer Geldstrafe geahndet werden. Diese Praxis wird auf § 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB gestützt, wonach dem Verein das Verhalten seiner Anhänger zugerechnet wird. Diese Zurechnungsnorm geht damit deutlich über die Zurechnung von Verhalten im allgemeinen Zivilrecht (§§ 31, 278, 831 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) hinaus.Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Vorgehensweise in seinem Beschluss vom 4. November 2021 (Az.: I ZB 54/20) gebilligt.

    Dem Verfahren lagen vier Verstöße der Anhänger eines Fußballvereins zugrunde, der in der Spielzeit 2018/2019 in der als Profiliga betriebenen 3. Bundesliga spielte. Bei drei Heimspielen wurde von Anhängern des Verein Pyrotechnik gezündet und bei einem Auswärtsspiel ein Schiedsrichterassistent mit Flaschen beworfen. Gegen die vom DFB-Sportgericht verhängte Verbandsstrafe von 24.900 EUR wandte sich der Verein erfolglos an das DFB-Bundesgericht. Gegen dessen Entscheidung stellte es einen Antrag beim Ständigen Schiedsgericht der 3. Liga beim DFB. Dessen Schiedsspruch stellte der Verein beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Überprüfung. Gegen dessen bestätigenden Beschluss wandte sich der Verein zuletzt mit einer Rechtsbeschwerde an den BGH. Die Rechtsbeschwerde hatte allerdings keinen Erfolg. Der Verein musste die Strafe zahlen.

    Der BGH bestätigt die Rechtsauffassung des OLG, nach der das Ständige Schiedsgericht der 3. Liga beim DFB ein echtes Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ist. Auch verstoße der Schiedsspruch nicht gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) der Bundesrepublik Deutschland. Bei der öffentlich Ordnung handelt es sich gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO um einen der abschließenden Gesichtspunkte handelt, unter denen ein Schiedsspruch von einem ordentlichen Gericht aufgehoben werden kann.

    Das Ständige Schiedsgericht der 3. Liga beim DFB sei ein echtes Schiedsgericht i.S.d. §§ 1025 ff. ZPO, weil seine Mitglieder paritätisch von Seiten des Verbandes und der Vereine besetzt würden. Anders als von der Antragstellerin in der ersten Instanz noch vorgetragen, sei auch der Schiedsgerichtsvertrag, den der Verband und sie abgeschlossen hätten, wirksam. Es liege kein Verstoß gegen das kartellrechtliche Benachteiligungsverbot des § 19 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) beim Abschluss des Vertrages vor. Überdies sei die Antragstellerin mit dem Vorwurf der Unwirksamkeit ausgeschlossen, weil sie selbst es gewesen sei, die das Schiedsgericht angerufen habe. Dieses Verhalten verstoße ob seiner Widersprüchlichkeit gegen Treu und Glauben.

    Der BGH bestätigte auch die Beurteilung des OLG, nach der der Schiedsspruch nicht gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) der Bundesrepublik Deutschland verstoße. Ein Verstoß gegen den ordre public liege nicht schon immer vor, wenn von zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts abgewichen wird, sondern das Ergebnis des Schiedsspruches müsse mit den wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung offensichtlich unvereinbar sein. Erforderlich sei also eine Verletzung der elementaren Grundlagen der Rechtsordnung.

    Zwar stelle das Schuldprinzip bei der Vorhängung von Strafen oder strafähnlichen Sanktionen einen solchen Grundsatz dar. Nach Auffassung des BGH verstieß der Schiedsspruch des DFB aber nicht gegen das Schuldprinzip. Unabhängig von der Frage, ob nichtstaatliche Stellen eine Strafe in diesem Sinne überhaupt aussprechen könnten, liege hier schon keine „Strafe“ im Sinne des Strafrechts vor. Dafür spreche, dass die Verbandsstrafe im Zivilrecht angesiedelt sei. Die Zielsetzung der Verbandsstrafe, deren grundsätzliche Zulässigkeit das OLG auf die Verbandsautonomie des Art. 9 Grundgesetz (GG) gestützt hatte, sei nämlich nicht die mit einem Unwerturteil verbundene Ahndung von vergangenem Unrecht, sondern sei auf die zukünftige Verhinderung von erneuten Verstößen gerichtet; es gehe also um Prävention. Dies zeige sich u.a. daran, dass dem Verein nachgelassen wurde, einen Teil der Geldsumme in Präventionsarbeit zu investieren. Aus der Bezeichnung als „Geldstrafe“ in § 44 der Satzung des DFB könne kein Rückschluss gezogen werden. Durch die Zahlung der Verbandsstrafe solle der Verein angehalten werden, mäßigend auf seine Anhänger einzuwirken und wirksame Sicherheitsvorkehrungen zu schaffen, um zukünftige Gefahren für den Spielbetrieb zu unterbinden. Der Verein solle zudem angehalten werden, die konkreten Täter zu identifizieren und die Verbandsstrafe auf diese umlegen. Auch der Internationale Sportgerichtshof (C.A.S.) sehe in einer solchen Verbandsstrafe eine präventive Maßnahme.

    Auch verstoße der Schiedsspruch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Bestandteil der öffentlichen Ordnung. Die Verhängung der Verbandsstrafe sei zur Gewaltprävention und Gewährleistung von Sicherheit geeignet und erforderlich. Eine Identifizierung und Sanktionierung (nur) der Täter durch den Verband sei nicht gleich wirksam. Sie sei ferner angemessen, weil der Verband bei der Bemessung der Höhe berücksichtigt hatte, dass den Verein kein Verschulden traf und er einen Teil der Summe eben in Präventionsarbeit investieren dürfe.

    Zuletzt verstoße die Regelung des § 9a RuVO des DFB auch nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Der Begriff des „Anhängers“ sei durch die sportgerichtliche Rechtsprechung hinreichend präzisiert worden.

    Der Beschluss des BGH ist zu begrüßen. Er schafft Rechtssicherheit sowohl bei den Vereinen als auch beim DFB. Wie bereits das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. festgestellt hatte, ist nur durch die Sanktionierung des Vereins eine effektive Prävention und eine Aufrechterhaltung der Sicherheit in Stadien möglich. Auch die Vereine belastet dies nicht unbillig. Denn wie der BGH bereits am 22. September 2016 (Az.: VII ZR 14/16) entschieden hat, können die Vereine die Verbandsstrafe auf die individuellen Übeltäter umlegen. Zudem kann der Verein durch strenge Zugangskontrollen und den Ordnereinsatz darauf hinwirken, dass es zu derartigen Verstößen nach Möglichkeit erst gar nicht kommt.

    Dr. Gerd Krämer / Faris Schäfer, wiss. Mitarbeiter

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/22

    Drucken | Teilen