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    Finanzverwaltung sagt auch Cum-Cum-Gestaltungen den Kampf an

    Die Rechtslage bei Cum-Ex-Geschäften galt lange als unklar. Bis der BGH im Juli 2021 die Strafbarkeit grundsätzlich bestätigte (vgl. Newsletter 7/2021), galten Cum-Cum-Geschäfte als wenig anrüchig. In einem BMF-Schreiben von 2017 hieß es, es sei bei Cum-Cum-Deals nur zu prüfen, ob nicht möglicherweise ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 Abgabenordnung (AO) vorliege.

    In der rechtlichen Behandlung sind Cum-Cum-Geschäfte streng von Cum-Ex-Geschäften zu trennen (auch wenn in beiden Fällen die Vorschrift des § 39 AO zum wirtschaftlichen Eigentum eine zentrale Rolle spielt). Während es bei Cum-Ex-Geschäften darum ging, sich mit Hilfe von Leerverkäufen von Aktien in Wirklichkeit nicht gezahlte Kapitalertragsteuer (KapSt) anrechnen bzw. zurückerstatten zu lassen, verfolgen Cum-Cum-Deals den Zweck, eine Definitivbelastung von Steuerausländern mit inländischer KapSt zu vermeiden. Dies geschieht so:

    Ein Steuerausländer, der Anteile einer inländischen Aktiengesellschaft hält, verkauft und liefert kurz vor dem Dividendenstichtag seine Aktien an eine inländische Kapitalgesellschaft (bspw. eine Bank). Die Bezeichnung cum-cum leitet sich davon ab, dass die Aktie mit Dividendenanspruch verkauft und übertragen wird. Die Bank erhält die Dividende abzüglich der Kapitalertragsteuer. Diese kann sie sich aufgrund der Steuerfreistellung in § 8b Abs.1 KStG zurückerstatten lassen. An den Steuerausländer zahlt die Bank eine Kompensationszahlung in Höhe der Nettodividende abzüglich eines eigenen Anteils und übertragt die Aktien zurück. In der Praxis haben sich im Innenverhältnis der Parteien viele Gestaltungen etabliert, denkbar ist etwa die Übertragung der Aktien im Rahmen einer Wertpapierleihe oder eines festen Verkaufs und Rückkaufs.

    Ohne die Übertragung wäre von der Dividende des Steuerausländers 25 % KapSt einbehalten worden. Davon kann er sich aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens lediglich 10 Prozentpunkte zurückerstatten lassen, was einer definitiven Steuerbelastung von 15 % entspricht. Durch die Cum-Cum-Gestaltung kann er abzüglich des Anteils des inländischen Vertragspartners eine Steuerbelastung von nahezu 0 % erreichen.

    Damit sich das Geschäft für alle Beteiligten wirtschaftlich lohnt, kommt es insbesondere für die inländische Kapitalgesellschaft darauf an, dass die einbehaltene KapSt auf die KSt anrechenbar ist. An dieser Stelle knüpft nun ein neues Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 9. Juli 2021 an, das das Ziel verfolgt, Cum-Cum-Gestaltungen zu unterbinden und KapSt von den inländischen Beteiligten nachzufordern.

    Nach dem BMF-Schreiben sollen bei Cum-Cum-Gestaltungen die Aktien trotz des rechtlichen Übergangs auf den Erwerber weiter nach § 39 Abs. 2 AO dem ausländischen Verkäufer zugerechnet worden. Ein Indiz für eine derartige Gestaltung soll eine Haltedauer der Aktien von weniger als 45 Tagen sein. Bei Cum-Cum-Geschäften trage der Erwerber aufgrund der kurzen Haltedauer der Aktien und der vorab vereinbarten Rückübertragung nicht die wirtschaftlichen Chancen und Risiken, die die Inhaberschaft von Aktien gewöhnlich mit sich bringe. Diese lägen vielmehr weiterhin beim Veräußerer und deswegen seien diesem die Aktien wirtschaftlich zuzurechnen.

    Mit dem BMF-Schreiben versucht die Finanzverwaltung, die Grundsätze des § 36a EStG, die seit 2016 die Anrechenbarkeit vom KapSt an eine Mindesthaltedauer knüpft, auf die Cum-Cum-Gestaltungen zu übertragen.

    Die Ausführungen des BMF zum wirtschaftlichen Eigentum bei Cum-Cum-Deals sind folgerichtig. Diese Geschäfte sind wirtschaftlich nicht auf einen tatsächlichen Wechsel der Inhaberschaft der Aktien gerichtet. Es geht allein darum, durch kurzfristige Übertragungen die KapSt zu „sparen“. Die wirtschaftliche Zurechnung zum Veräußerer nach § 39 Abs. 2 AO ist auch dogmatisch der zutreffende Ansatz und einer Argumentation über § 42 AO auch aus Gründen der Rechtssicherheit vorzuziehen.

    Dr. Uwe Scholz

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 12/21

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