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    Auslegung einer Fortführungsklausel im Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte jüngst Gelegenheit, zur Auslegung einer Fortführungsklausel im Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Stellung zu nehmen. Konkret ging es um die Frage, ob die Fortführungsklausel einer Gesellschaft so auszulegen war, dass das Gesellschaftsvermögen nach dem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters auf den einzigen verbliebenen Gesellschafter als Rechtsnachfolger übergegangen war. Das Kammergericht Berlin hatte das entgegen der Vorinstanz bejaht. Der BGH hob das Urteil des Kammergerichts Berlin auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück.

    In dem zugrunde liegenden Fall (Urteil des BGH vom 29.10.2024, Az.: II ZR 222/21) hatten zwei Rechtsanwälte eine Sozietät in Form einer GbR gegründet. Der Gesellschaftsvertrag enthielt eine Fortführungsklausel, nach der die Gesellschaft beim Ausscheiden eines Gesellschafters fortgeführt werden sollte, sofern mindestens zwei Gesellschafter verbleiben. Einer der beiden Gesellschafter kündigte die Gesellschaft und widerrief die Einzelverfügungsberechtigung des anderen über die Sozietätskonten. Der verbleibende Gesellschafter klagte daraufhin gegen die Bank, um die Konten auf sich umschreiben zu lassen, da er sich für den alleinigen Rechtsnachfolger der Gesellschaft hielt.

    Das Berufungsgericht gab der Klage statt und entschied, dass das Gesellschaftsvermögen auf den letzten Gesellschafter übergegangen sei. Der BGH widersprach dieser Auslegung und stellte klar, dass die Fortführung der Gesellschaft nach dem Wortlaut des Vertrags nur dann möglich sei, wenn mindestens zwei Gesellschafter verbleiben. Da nur noch ein Gesellschafter übrig war, konnte die Gesellschaft nicht als „Einmanngesellschaft“ fortgeführt werden. Eine automatische Gesamtrechtsnachfolge sei daher nicht ohne Weiteres gegeben.

    Der BGH betonte, dass die Auslegung einer vertraglichen Regelung nicht isoliert, sondern im Gesamtzusammenhang erfolgen muss. Die bloße Existenz einer Fortführungsklausel bedeutet nicht zwangsläufig, dass ein einzelner Gesellschafter das gesamte Gesellschaftsvermögen übernimmt. Zudem hob das Gericht hervor, dass auch der klare Wortlaut eines Vertrags nicht allein ausschlaggebend ist, sondern stets die Gesamtumstände und die ursprünglichen Absprachen der Parteien berücksichtigt werden müssen.

    Da das Berufungsgericht diese Auslegungsgrundsätze nicht beachtet hatte, wurde das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Das Gericht soll nun prüfen, ob sich aus den Vertragsverhandlungen oder sonstigen Umständen Hinweise auf eine abweichende Auslegung der Fortführungsklausel ergeben.

    Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen, und zwar auch und insbesondere im Hinblick auf eine neue gesetzliche Bestimmung, die im Rahmen des Personengesellschaftsmodernisierungsgesetzes (MoMiG) in § 712a BGB mit Wirkung ab 01.01.2024 in Kraft getreten ist. Die Bestimmung galt zum Zeitpunkt des in der besprochenen Entscheidung entschiedenen Sachverhaltes noch nicht. Dort ist nun auch gesetzlich festgelegt, was nach ständiger Rechtsprechung auch schon vorher galt: Scheidet der vorletzte Gesellschafter einer GbR aus der Gesellschaft aus, so erlischt die Gesellschaft ohne Liquidation und das Gesellschaftsvermögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den zuletzt verbleibenden Gesellschafter über. Diese Rechtsfolge gilt aber nur, wenn die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart haben. Das war im entschiedenen Fall die Regelung, dass die Rechtsnachfolge nur gelten sollte, wenn mehr als ein Gesellschafter verbleibt, die Gesellschaft also nicht erlischt. Das Berufungsgericht hat in seiner Begründung nicht berücksichtigt, dass Klauseln in Gesellschaftsverträgen, die sicherstellen, dass eine Rechtsnachfolge durch nur einen verbleibenden Gesellschafter verhindert wird, üblich sind. Es hat insbesondere verkannt, dass es in sehr vielen Fällen gerade nicht im Interesse des zuletzt verbleibenden Gesellschafters ist, Gesamtrechtsnachfolger des Gesellschaftsvermögens zu werden, nämlich immer dann, wenn die zu übernehmenden Verbindlichkeiten das Vermögen übersteigen. Deshalb werden in der Kautelarpraxis Regelungen empfohlen, die dem letztverbleibenden Gesellschafter wenigstens eine Wahl lassen zu entscheiden, ob er Rechtsnachfolger werden soll oder nicht. Alternativ findet statt der Rechtsnachfolge dann eine Liquidation der GbR statt, die beide zuletzt verbliebenen Gesellschafter auch zur Regulierung von Verbindlichkeiten verpflichtet hält. Vor dem Hintergrund dieser Interessenlage und Praxis der Vertragsgestaltung konnte im entschiedenen Fall der Wortlaut des Vertrages nicht ohne weitergehende Sachverhaltsermittlung so ausgelegt werden, dass der letztverbleibende Gesellschafter das gesamte Vermögen übernimmt, wie der BGH in dem besprochenen Urteil zutreffend ausgeführt hat.

    Dr. Jürgen Hoffmann

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 4/25

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