Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

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    Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz und die neue Wahlordnung

    Am 18.06.2021 ist das Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt in Kraft getreten. Es gibt folgende Neuerungen, nicht nur im Betriebsverfassungsgesetz.

    Der Kündigungsschutz für Arbeitnehmer, die an der Vorbereitung zur Gründung von Betriebsräten teilnehmen, wird erweitert. So erhalten sechs (statt bisher drei) Arbeitnehmer, die zu einer Wahlversammlung einladen, Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3a KSchG. Durch Einführung des neuen § 15 Abs. 3b KSchG soll der Kündigungsschutz, der bisher mit der ersten „betriebsöffentlichen Handlung“, also meist dem Einladungsschreiben begann, schon auf den Zeitraum der Vorbereitung dieser verlagert werden. Nötig ist dazu jedoch eine notariell beglaubigte Erklärung des Arbeitnehmers in Bezug auf die Absicht, einen Betriebsrat gründen zu wollen. Die Kosten dafür sollen zwischen 20€ und 70€ netto sein; die Kosten trägt der jeweilige Arbeitnehmer. Der Kündigungsschutz beginnt zeitlich mit der Beglaubigung der Unterschrift unter der Absichtserklärung und endet mit dem Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung, spätestens jedoch drei Monate nach dem Zeitpunkt der Beglaubigung. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Abs. 3a alle ordentlichen Kündigungen verbietet, wohingegen nach Abs. 3b betriebsbedingte Kündigungen möglich erscheinen. Unklar ist, ob die Regelung während der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses gilt.

    In Betrieben mit bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern entfällt nach dem neuen § 14 Abs. 4 BetrVG das Erfordernis einer Unterzeichnung der Wahlvorschläge. In Betrieben mit mehr als 20 und bis zu 100 Wahlberechtigten erfolgt eine pauschale Absenkung auf mindestens zwei Stützunterschriften. Bei mehr als 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern müssen mindestens ein zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer unterzeichnen, in jedem Fall genügen jedoch 50 Unterschriften. Gleichzeitig wird die Anfechtung von Betriebsratswahlen wegen Fehlern in der Wählerliste eingeschränkt, damit treuwidrige Anfechtungen vermieden werden und die Rechtssicherheit der Betriebsratswahlen erhöht wird.

    Zukünftig soll es für das aktive und passive Wahlrecht von Auszubildenden zur Jugend- und Auszubildendenvertretung nur noch auf den Status als Auszubildender ankommen. Die Altersgrenze für Auszubildende von 25 Jahren wurde gestrichen.

    Nachdem der Gesetzgeber die Möglichkeit zu digitalen Betriebsratssitzungen im Rahmen der COVID-19 Pandemie befristet durch § 129 BetrVG eingeführt hatte, soll diese Möglichkeit mit Einschränkungen fortbestehen. Nach dem neuen § 30 Abs. 2 BetrVG kann die Sitzung digital erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die digitale Teilnahme unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind, nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer durch den Vorsitzenden zu bestimmender Frist diesem gegenüber widerspricht und sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Gem. § 30 Abs. 3 BetrVG wird klargestellt, dass bei digitaler Ausführung auch eine Teilnahme vor Ort als erforderliche Betriebsratstätigkeit im Sinne von § 40 Abs. 1 BetrVG gilt.

    Die eigenhändige Unterschrift des Vorsitzenden bei Betriebsvereinbarungen und Einigungsstellebeschlüssen wird gem. § 76 Abs. 3 S. 4 bzw. § 77 Abs. 2 S.2 BetrVG durch die elektronische Form nach § 126a Abs. 1 BGB ersetzt. Dabei muss jedoch eine besondere qualifizierte elektronische Signatur genutzt werden.

    Eine weitere Neuerung betrifft die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit (Homeoffice). Dabei erhält der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht über die Frage, ob Homeoffice im Betrieb ermöglicht wird, sondern nur hinsichtlich der Ausgestaltung. Das Mitbestimmungsrecht umfasst dabei sowohl regelmäßige als auch anlassbezogene mobile Arbeit.

    Im neu eingefügten § 79a BetrVG wird bestimmt, dass der Betriebsrat bei der Verarbeitung personenbezogener Daten die Vorschriften über den Datenschutz (DSGVO) einzuhalten hat. Die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit trifft dabei den Arbeitgeber. Um dieser Verantwortlichkeit zu genügen, ist der Arbeitgeber also auf die Mitarbeit des Betriebsrats angewiesen, weshalb in der Neuerung klargestellt wird, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat gegenseitig bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften unterstützen.

    Praxisrelevant ist die Änderung über den Umfang der Unfallversicherung nach § 8 SGB VII, der um eine Ziffer 2a erweitert wurde, wonach zu der versicherten Tätigkeit das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird. Dadurch ist die Entscheidung des Bundessozialgerichts von 20.01.2020, Az.: B 2 U 19/18 R, die einen Versicherungsschutz ablehnte, überholt.

    Am 09.10.2021 ist schließlich die neue Wahlordnung in Kraft getreten. Zu den wesentlichen Änderungen gehörten die (teil-)virtuelle nichtöffentliche Sitzung des Wahlvorstandes sowie Regelungen zu der Stimmabgabe.

    Dr. Irini Ahouzaridi

    Christian Baars (Referendar)

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 11/21

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